Kurs:Seminar zur Nachhaltigkeit in der Europäischen Agrarpolitik/Europäische Integration

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Die Europäische Integration: Aufbruch in eine gemeinsame Zukunft[Bearbeiten]

Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts hatten den europäischen Kontinent in Schutt und Asche gelegt und mehr als 60 Millionen Menschen das Leben gekostet. Europa war wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich ruiniert. Es galt nun nicht nur die Schäden des Krieges zu beseitigen, sondern auch darum, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Die europäischen Staaten mussten sich etwas einfallen lassen, um ihre Feindschaft beizulegen.

Hintergründe[Bearbeiten]

Europäische Staaten hatten über die Jahrhunderte hinweg immer wieder Krieg gegeneinander geführt. Und auch ohne, dass sie mit Soldaten aufeinander losgingen schadete ihre extreme Rivalität der Entwicklung des gesamten Kontinents. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich – alle wollten sich gegenseitig ausstechen und schaden, um selbst im Vorteil zu sein. Auf politischer Ebene gab es kaum Zusammenarbeit und wenn, dann nur im Falle eines erheblichen individuellen Vorteils. Das Ergebnis dieser fatalen Politik war allerdings, dass keiner der Staaten auf Dauer irgendetwas hinzugewann. Im Gegenteil: Alle Staaten verloren! Denn bei jeder neuen Feindseligkeit ging etwas zu Bruch. Immer wieder starben Menschen und Städte wurden zerstört; immer wieder wechselten Territorien ihre Zugehörigkeit und wurden ganze Regionen verwüstet; immer wieder litten die Gesellschaften und mussten ihre Länder wiederaufbauen. Die Menschen waren einem enormen und dauerhaften Stress ausgesetzt. Ein ungestörtes und selbstbestimmtes Leben war kaum möglich – nirgendwo in Europa.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen die europäischen Staaten daran etwas zu ändern. Die politischen Weichen sollten so gestellt werden, dass eine Aussöhnung zwischen den europäischen Ländern möglich werden sollte. Sie sollten in Zukunft zusammen und nicht gegeneinander arbeiten; sie sollten eine gemeinsame Zukunft gestalten - frei vom Druck der andauernden Konfrontation.

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl[Bearbeiten]

Am 9. Mai 1950 legte der damalige französische Außenminister Robert Schumann einen Plan vor, der die Feindschaft der europäischen Nationen beenden und die wirtschaftliche Entwicklung aller europäischen Staaten beflügeln sollte. Er schlug vor, die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion zu „vergemeinschaften“.

Diese „Vergemeinschaftung“ der Montanindustrie hatte zwei wesentliche Komponenten:

  1. Der Abbau von Kohle und Schwermetallen sowie die Produktion von Eisen und Stahl wurden unter eine gemeinsame Aufsicht gestellt. Damit sollte verhindert werden, dass eines der Länder einseitig und unerkannt militärisch aufrüstet und mit seiner neuen Stärke auf andere losgeht.
  2. Gleichzeitig wurde vereinbart, zwischen den Ländern einen gemeinsamen Markt – einen sogenannten „Binnenmarkt“ für Produkte der Montanindustrie zu schaffen. Zölle und andere Handelsschranken sollten schrittweise abgebaut werden wodurch wirtschaftliche Unternehmen auf beiden Seiten profitieren sollten. Der so entstehende, größere gemeinsame Markt sollte ihnen zusätzliche Absatzmöglichkeiten bieten und zusätzliche Einnahmen generieren. Dadurch, so die Theorie, würden die Unternehmen wachsen und Arbeitsplätze schaffen und mehr Steuern zahlen. Zudem würden sie in die Modernisierung ihrer Produktion investieren und zum gesellschaftlichen Fortschritt beitragen.

Das Ziel dieser Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) war es also die Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich durch eine für beide Seiten profitable Zusammenarbeit zu beenden. Da für den vorgeschlagenen „Binnenmarkt“ auch gemeinsame Regeln notwendig waren, mussten die beteiligten Staaten fortan zusammenarbeiten. Sie waren gezwungen, diesen „Binnenmarkt“ so zu gestalten, dass alle Seiten davon profitieren können. Sie mussten demnach die Interessen der Verhandlungspartner anerkennen und in ihren Handlungen berücksichtigen. Dies sollte zu einem ständigen Austausch führen und verhindern, dass einseitige Entscheidungen getroffen werden, die komplett gegen die Interessen einzelner Staaten gerichtet sind. Die beständige und wiederholte Kooperation sollte somit die Grundlage für ein Vertrauensverhältnis schaffen, das über die nächsten Jahre und Jahrzehnte wachsen sollte.

Dieses Vertrauensverhältnis sollte dadurch weiter gestärkt werden, dass die gemeinsamen Lösungen und Kompromisse fortan durch eine supranationale, d.h. überstaatliche Institution kontrolliert werden sollten. Sie sollte unabhängig von einzelnen nationalen Staaten sein und ausschließlich die Interessen der Gemeinschaft vertreten. Im Rahmen der EGKS war dies die „Hohe Behörde“, in der späteren EWG und der EU war und ist dies die „Europäische Kommission“.

Der Vorschlag von Robert Schumann wurde schließlich 18. April 1951 angenommen und im Vertrag von Paris beschlossen. Die sogenannte Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) trat am 23. Juli 1952 in Kraft. Die Mitglieder waren Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg. Sie verhandelten fortan über die Regeln des „Europäischen Binnenmarktes“. An diesem Tag nahm auch die „Hohe Behörde“ ihre Arbeit auf und überwachte das Handeln der Mitgliedstaaten und die Einhaltung der zuvor beschlossenen Regeln.

Der Vertrag von Paris und die EGKS bilden den Ausgangspunkt für die beginnende europäische Einigung und die folgende Europäische Integration. Sie stand auch Pate für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die einige Jahre später durch die „Römischen Verträge“ gegründet wurden. Diese „vergemeinschafteten“ auch die Landwirtschaftspolitik.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft[Bearbeiten]

Trotz einiger anfänglicher Bedenken erwiesen sich die Praxis der „Vergemeinschaftung“ und die EGKS als Erfolg. Die Montanindustrie fand schnell zu alter Stärke zurück und entwickelte sich dynamischer als zuvor. Ohne, dass die europäischen Staaten sich gegenseitig bekämpften, sondern stattdessen zusammenarbeiteten, wuchs die Wirtschaft schneller als erhofft – und dies auf allen Seiten. Vor diesem Hintergrund wollten die Staaten das Modell der EGKS auch auf andere Wirtschaftsbereiche ausdehnen.

Nach langen und harten Verhandlungen unterzeichneten dieselben sechs Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg am 25. März 1957 auf der Regierungskonferenz in Rom die „Römischen Verträge“. Sie traten am 1. Januar 1958 in Kraft und gründeten die „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ (EWG). Sie folgte dem Grundkonzept der „Vergemeinschaftung“, die zur wirtschaftlichen Erholung und Prosperität aller Mitgliedstaaten beitragen und gleichzeitig die Kooperation und Kommunikation zwischen ihnen etablieren und institutionalisieren sollte. Die EWG war der direkte Vorläufer der Europäischen Union (EU). Diese wurde am 7. Februar 1992 mit dem Vertrag von Maastricht gegründet und trat am 1. November 1993 in Kraft.

Die Gründungsväter der EWG hatten ursprünglich die Absicht alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche zu „vergemeinschaften“. Dazu waren die nationalen Regierungen allerdings nicht bereit. Daher einigten sich die Staaten darauf, in einer begrenzten Zahl von politischen Feldern zusammenzuarbeiten. Sie sind im „Dritten Teil“ des „Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ aufgeführt.

Die Verträge von Paris zur Schaffung der EGKS und der Vertrag von Rom zur Schaffung der EWG gelten als der Beginn der „Europäischen Integration“ (link: http://www.wirtschaftundschule.de/lehrerservice/lexikon/e/europaeische-integration/). Das direkte Ergebnis ist die Europäische Union wie wir sie heute kennen mit ihren 28 Mitgliedstaaten und den vier zentralen Europäischen Institutionen: Dem Europäischen Parlament, dem Ministerrat, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat.

An der ursprünglichen und grundlegenden Idee der „Vergemeinschaftung“ hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert: Die Mitgliedstaaten der EU einigen sich darauf, für die Bürger und die Wirtschaft einen einheitlichen Raum zu schaffen. In diesem sollen sie frei leben, arbeiten und Geschäfte machen können - ganz gleich welcher Nationalität innerhalb der EU sie angehören. Um diesen Raum zu schaffen erlassen die Mitgliedstaaten gemeinsame Regeln, die von einer unabhängigen Institution – der Europäischen Kommission - überwacht werden.

Die Gemeinsame Agrarpolitik in den „Römischen Verträgen“[Bearbeiten]

Wie aus den Titeln der „Römischen Verträge“ ersichtlich ist, war die Landwirtschaft von Anfang an Teil der Europäischen Integration. Die Eckpunkte dieser Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sind in den Artikeln 38 bis 47 der „Römischen Verträge“ niedergelegt. In Artikel 39 wurden folgende Ziele benannt:

  • die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern;
  • auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;
  • die Märkte zu stabilisieren;
  • die Versorgung sicherzustellen;
  • für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen.

Die Ziele der GAP zeigen: die oberste Priorität war die europäische Landwirtschaft in einen Zustand zu versetzen, in dem sie die europäische Bevölkerung aus eigener Kraft mit Lebensmitteln versorgen kann. Dies sollte durch die Steigerung der Produktivität europäischer Landwirte geschehen, der Erhöhung der durchschnittlichen Einkommen und der Stabilisierung der landwirtschaftlichen Märkte geschehen.

Die Ziele waren verhältnismäßig unumstritten. Doch zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der „Römischen Verträge“ war noch immer nicht ganz klar, wie sie genau erreicht werden sollten. Daher wurden die Verhandlungen nach der feierlichen Unterzeichnung fortgesetzt.

Erst auf der Regierungskonferenz in Stresa in Italien am 3. Juli 1958 einigten sich die Vertreter der sechs Mitglieder der EWG auf die GAP. Sie trat vier Jahre später am 30. Juli 1962 in Kraft und hat drei Grundprinzipien:

  1. „Die Einheit des Marktes“ besagt, dass im Agrarsektor alle Handelsschranken und Hemmnisse z.B. Zölle fallen sollen und somit ein freier Warenverkehr hergestellt werden soll.
  2. Die „Gemeinschaftspräferenz“ besagt, dass in Europa produzierte landwirtschaftliche Erzeugnisse den Vorzug vor nicht-europäischen Erzeugnissen haben sollen.
  3. Die „Gemeinschaftliche Finanzierung“ bedeutet, dass alle Ausgaben der GAP aus einem Gemeinschaftshaushalt der EWG bzw. der EU getragen werden sollen.

Diese Grundprinzipien wurden zunächst mit drei zentralen Instrumenten umgesetzt: der „Preisstützung“, den „Importzöllen“ und den „Ausfuhrerstattungen“. Diese führten zwar zu einer enormen Produktivitätssteigerung, aber brachten auch jede Menge Probleme mit sich. Daher wurden sie teilweise zurückgefahren oder abgeschafft und durch die Instrumente der „Direktzahlungen“ und der „Ländlichen Entwicklung“ ersetzt.

Weblinks[Bearbeiten]

Arbeitsaufträge[Bearbeiten]

  • Vor Beginn der „Europäischen Integration“ führten die europäischen Länder immer wieder Kriege gegeneinander. Erklären Sie anhand der EGKS und EWG wie die Idee der „Vergemeinschaftung“ dazu beitragen sollte, den Frieden in Europa zu sichern. Welchen direkten Nutzen sollten die Staaten daraus ziehen?
  • Die EGKS und die EWG stehen am Anfang des Integrationsprozesses hin zur EU die heute unser Leben mitgestaltet. Stellen Sie die Grundzüge der heutigen EU dar. Welche sind ihre Hauptinstitutionen und welche Aufgaben haben diese Institutionen?
  • Die GAP war von Anfang an Teil der EWG. Nennen Sie die Ziele, wie sie in den „Römischen Verträgen“ aufgeführt werden und die Grundprinzipien, mit denen die Ziele erreicht werden sollen.